Fotografie als Zeitdokument: Meet & Greet Thomas Hoepker

Eine ganze Geschichte mit einem einzigen Foto erzählen. Das fasziniert mich am meisten an Streetphotography oder auch an der Reportagefotografie. Einer der großen Meister beider Genres ist der deutsche Magnum Fotograf Thomas Hoepker.

Besonders zwei Bilder seines durch alle Kontinente und große Zeitschriftenverlage führenden Werkes fesseln mich immer wieder. Beide Fotos zeigen Szenen aus New York.

Meet & Greet den Champ der humanistischen Fotografie - mein Bild von Thomas Hoepker in der Leica Gallery Frankfurt

Meet & Greet den Champ der humanistischen Fotografie - mein Foto von Thomas Hoepker anläßlich einer Signierstunde in der Leica Gallery Frankfurt

Entstanden im Jahr 1983, ein Jahr, das für mich persönlich sowieso mit einem Zauber verbunden ist, zeigt „Lovers’ Lane" von Thomas Hoepker all die Stärken des Fotografen.

„Lovers’ Lane“ aus dem Jahr 1983

Zurückhaltend den Alltag beobachtend, fängt er einen intimen Moment in der Stimmung der Zeit ein. „Lovers’ Lane“, ein abgeschiedener Treff der Jugend. Sie sind unter sich und genießen junge Liebe und ihre automobilisierte Freiheit.

Die Szene ist aber auch eingebettet in den allgemeinen Kontext einer Weltstadt mit ihren augenscheinlichen ikonischen Symbolen. Alles getaucht in fantastisches New Yorker Licht, wobei das Key Light auf die Zwillingstürme geht, die die Story im schattigen Vordergrund überragen. Leises, aber großes Kino.

View on Manhattan 9/11 2001

Die Zwillingstürme des World Trade Center bilden auch den Hintergrund meines zweiten Lieblingsfotos, wenn auch nur noch als ikonische Staubwolke über Manhattan.

„View on Manhattan 9/11 2001“ von Thomas Hoepker zeigt den Anschlag auf die Twin Towers mit einer Gruppe Menschen im Vordergrund, die während diesem inzwischen im kollektiven Bewusstsein verankerten Moments der Zeitgeschichte sich scheinbar entspannt und locker unterhalten.

Der inhaltliche Widerspruch zwischen Vordergrund und Hintergrund irritiert zutiefst. Fehlt es den Personen an Anteilnahme. Sinnbild für die heutige Gesellschaft - oder ist es ein Symbol für die Fähigkeit des Menschen, Krisen wegzustecken und zu überleben?

Die fotografierten Personen sagen selbst, dass die Bildwirkung täusche. Das Foto vermittle einen nicht realen Inhalt. Sie seien das Gegenteil von anteilnahmslos gewesen. Das Foto zeigt damit auch, wie ambivalent die Bedeutung von Kontext und Perspektive sein kann. Im Kern gibt auch dieses Foto keine Antworten, es wirft neue Fragen auf.

Thomas Hoepker in der Leica-Gallery-Frankfurt

Im Januar 2019 bot sich Gelegenheit, den Magnum Fotografen und seine Frau Christiane Kruchen einmal persönlich zu treffen. Im Gepäck meine Kamera und meine zwei Magnum Square Prints „Lovers’ Lane“ und „View on Manhattan 9/11 2001“.

“Wo habt ihr das Bild her?” fragt der Meister die beiden Jungs, die Ihm „den Champ“ zum signieren vorlegen. “In der Ausstellung bei Leica in Wetzlar abfotografiert…” antworten diese ehrlich. Was solls, es wird abgezeichent…

Gelegenheit für ein kurzes Gespräch mit Thomas Hoepker über “Lovers’ Lane” und das perfekte Licht der Aufnahme. “Aber unter welchen Umständen das Bild entstand weiß ich nicht mehr…”.

Da kommt meine persönliche Widmung. Wie schön.

Als Weihnachtsgeschenk von meinem Freund Achim edel gerahmt, haben nun „Lovers’ Lane“ und „View on Manhattan 9/11 2001“ einen Ehrenplatz als schöne Erinnerung an das kurze Meet & Greet mit Thomas Hoepker und Christiane Kruchen.

2017 erhielt Thomas Hoepker die tragische Diagnose Alzheimer. Wenn auch sein persönliches Gedächtnis allmählich verblasst, bleibt sein fotografisches Werk Teil des kollektiven Gedächtnisses. Auch das zeigt den Wert der Fotografie.

Im Corona Jahr 2020 verwirklichten das Team Kruchen / Hoepker ein ambitioniertes Projekt: Eine Wiederholung von “Bilderfabrikant” Hoepkers erstem Roadtrip durch die USA in meinem Geburtsjahr 1963. Dabei entstand die intime und humorvolle Dokumentation “Dear Memories” - nicht entgehen lassen, wenn sich die Chance zum Schauen ergibt…

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